Thomas Korne

„Das Thema Produktivität betrifft die Gestaltung aller Arbeitsabläufe von Produktion und Logistik und hinterfragt die Wertschöpfung in jedem einzelnen Arbeitsschritt.”

Ein Gespräch mit Thomas Korne, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes und PRODPILOT-Koordinator, über Projektziele und -aktivitäten sowie die Bedeutung des Themas Produktivität für Unternehmen in der Großregion – und darüber hinaus.
Was ist das „Neue” bzw. „Besondere“ am Ansatz von PRODPILOT?

In Büchern und Veröffentlichungen findet sich eine Vielzahl von Instrumenten und Konzepten zur Produktivitätssteigerung, die jedoch meist nur auf die Verbesserung von Arbeitsplätzen oder von einzelnen Prozessen abzielen. Daneben kommen ständig neue Teillösungen hinzu, zum Beispiel wird gerade an der Erfassung und Optimierung von wertschöpfenden Prozessen in Echtzeit gearbeitet – dieses Instrument gab es bis vor kurzem noch gar nicht. Gerade im Mittelstand fehlt Geschäftsführern oder Führungskräften oftmals ein ganzheitlicher Überblick über das gesamte Spektrum existierender Instrumente. PRODPILOT verschafft diesen Überblick auf eine verständliche Art und Weise.

Unser Projekt PRODPILOT wird eine Plattform bereitstellen, die Unternehmen einen schnellen Zugang zu allen wichtigen Fragen rund um das Thema Produktivität bietet. Ergänzt durch viele konkrete Anwendungsbeispiele und ein nutzerfreundliches Selbstanalyse-Tool bringt das Portal für das gesamte Themengebiet einen echten Mehrwert. Zusätzlich bündeln wir mit den Partnern aus der Großregion umfangreiches Wissen und Know-how zu dem Thema und wollen auch Anbieter von Produktivitätslösungen über die Teilregionen hinaus bekannter machen. Die erstmalige Auslobung und Vergabe eines Produktivitätspreises an Unternehmen aus der Großregion soll dabei zusätzliche Aufmerksamkeit für das Thema schaffen.

Woran arbeiten Sie im Projekt gerade konkret?

Derzeit finalisieren wir das Analyse-Modell zur Produktivitätssteigerung, das dem Projekt zu Grunde liegt und damit zentral für alle weiteren Arbeiten und Aktivitäten ist. Das Modell bildet sowohl gängige als auch neue Möglichkeiten zur Produktivitätssteigerung in Form von jeweils vier verschiedenen Reifegraden ab. Wir nutzen es auch für eine Umfrage in der Großregion, um den aktuellen Stand zur Ausschöpfung von Produktivitätspotentialen in den hiesigen Unternehmen zu erfassen. Die Ergebnisse dieser Befragung sowie das Modell selbst werden wir in Fachveröffentlichungen vorstellen.

Was ist das nächste Etappenziel?

Als nächstes werden unsere französischen Partner der Universität Lorraine das gemeinsam erarbeitete Produktivitäts-Modell in ein Anwendungsprogramm, d.h. ein computerbasiertes Tool zur Analyse der eigenen Produktivität, überführen und für Unternehmen auf der eingangs erwähnten Plattform zugänglich machen. Alle Partner werden dabei die Gelegenheit haben, ihre Ideen und Vorschläge in diese Plattform einfließen zu lassen. Die Anwendung muss letztlich vielen unterschiedlichen Anforderungen genügen und vor allem benutzerfreundlich sein, um später auch tatsächlich genutzt zu werden.

In die Zukunft geblickt: Was ist Ihre Vision für das Projekt? Was wollen Sie bis zum Projektende erreicht haben?

Wir wollen Unternehmen aktiv bei der Umsetzung von produktivitätssteigernden Maßnahmen begleiten und mit der Plattform möglichst viele Firmen in der Großregion erreichen. Ideal wäre es, wenn Firmenvertreter unsere Plattform zukünftig regelmäßig für den Abgleich ihrer eigenen Maßnahmen nutzen und sich hier kontinuierlich neue Ideen und Anregungen für die Praxis einholen würden.

Warum ist das Thema Produktivität insbesondere für die Großregion und die hier ansässigen kleinen und mittleren Unternehmen relevant?

Im Saarland, aber auch in den Grenzregionen, ist die Industrie geprägt vom produzierenden Gewerbe. Das Thema Produktivität betrifft dadurch mehr Unternehmen als beispielsweise in Großstädten wie Hamburg oder Berlin, die eher im Dienstleistungssektor vertreten sind.

Stichwort „Industrie 4.0“: Welche zentralen Herausforderungen sehen Sie für Unternehmen – und auch hier insbesondere den Mittelstand – angesichts zunehmender Digitalisierungsprozesse?

Industrie 4.0 ist Verbesserung für Fortgeschrittene: Bevor Prozesse digitalisiert werden können, müssen sie stabil laufen und im eigentlichen Ablauf optimiert sein. Ansonsten haben sie eine digitale Lösung, die nicht oder nur schlecht funktioniert. Ein Telekommunikations-Dienstleister ist ein gutes Beispiel für die Digitalisierung von schlechten und instabilen Prozessen. Ich kenne mehrere Fälle, bei denen einfache Serviceanfragen per SMS beendet wurden, anstatt sie an die richtigen Sachbearbeiter zu adressieren. Das können wir uns als Industriestandort Deutschland in Produktion und Logistik nicht erlauben.

Welche Bedeutung hat PRODPILOT für die Wissenschaft?

Das Thema Produktivität betrifft die Gestaltung aller Arbeitsabläufe von Produktion und Logistik und hinterfragt die Wertschöpfung in jedem einzelnen Arbeitsschritt. Viele wissenschaftliche Modelle zur ganzheitlichen Produktionssystemgestaltung oder zur Digitalisierung von industriellen Prozessen sind in das Projekt eingeflossen, um den Unternehmen ein fundiertes Angebot bereitstellen zu können. Im Projekt wird sichtbar, ob all diese Modelle in der Praxis ihrem wissenschaftlichen Anspruch gerecht werden oder für die vorgesehene Verwendung nicht nutzbar sind.

Was fasziniert Sie persönlich an dem Projekt und an den Themen „Prozessinnovation“ und „Produktivität“?

Beruflich arbeite ich bereits lange mit Konzepten und Instrumenten der Produktivität und habe das Thema von der konkreten Gestaltung von Arbeitsplätzen bis hin zu ganzheitlichen und digitalisierten Produktionssystemen betrachtet und in der Praxis kennen gelernt. Immer wieder bin ich fasziniert von den teilweise dramatischen Verbesserungen, die durch die konsequente Anwendung von recht einfachen Prinzipien möglich sind. Der Produktionsstandort Deutschland kann meiner Meinung nach nur aufrechterhalten werden, wenn wir auch auf dem Gebiet der Produktivität mit neuen Lösungen führend bleiben.