Peter Plapper

„Bereits jetzt können wir sehen, welche Vorteile die Nutzung neuer digitaler Werkzeuge hat, und welch großen Unterschied sie in Unternehmen bewirken können.”

Ein Gespräch mit Peter Plapper, Professor für Ingenieurwissenschaften an der Universität Luxemburg, über die Unterstützung von kleinen und mittleren Betrieben bei der Digitalisierung und dem Übergang zur Industrie 4.0.
Welche Expertise bringen Sie und Ihr Team in das PRODPILOT-Konsortium ein? Was ist Ihre Rolle im Projekt?

Die Universität Luxemburg beschäftigt sich mit „Manufacturing Engineering“, wobei das Wissen aus der industriellen Praxis eine große Rolle spielt. Ich habe 16 Jahre in der Autoindustrie gearbeitet und dabei alle Produktionsprozesse von Planung, Produktion, Betrieb und Demontage betreut. Diesen Erfahrungsschatz gebe ich jetzt an Studenten sowie an die Firmen, die wir im Rahmen von PRODPILOT betreuen, weiter. Gemeinsam mit den Doktoranden haben wir den Handlungsbedarf für eine schlanke und effiziente sowie für eine digitale Produktion erstellt, den wir den Firmen zur Verfügung stellen. Aber anders als konventionelle Unternehmensberater wollen wir die Firmen „schlau machen“ – das heißt, wir wollen ihnen keine Beratungen verkaufen, sondern sie unterstützen. Die Doktoranden haben verschiedene Aspekte zum digitalen Zwilling, zur Digitalisierung, zur digitalen Wertschöpfung und zur Produktivität erarbeitet. Diese werden in einen Fragenkatalog eingearbeitet, der die Produktivität der Firmen nach den Aspekten Lean und Industrie 4.0 erfasst. Mithilfe von 36 Kriterien fragen wir die Firmen nach ihrem Umsetzungsgrad des Toyota Produktionssystems/Lean und nach der Bereitschaft, digitale Werkzeuge und Methoden der Industrie 4.0 einzuführen. Diese 36 Fragen stellen diese digitalen Werkzeuge und Methoden auch direkt dar, sodass die Firmen konkret sehen können, wie diese Entwicklung aussehen könnte.

Welche Meilensteine haben Sie im Rahmen von PRODPILOT bisher erreicht?

Die Universität Luxemburg ist führender Partner für das Arbeitspaket zur Entwicklung eines Produktivitäts-Tools für Fertigungs- und Logistikunternehmen. Im Laufe der letzten zwei Jahre haben wir das Projektkonsortium erfolgreich bei der Entwicklung eines Selbstbewertungswerkzeugs für Fertigungs- und Logistikunternehmen geleitet. Das „Self-Assessment-Tool“ kann als ein wesentliches Werkzeug zur Diagnose des Status des Unternehmens und damit zum Erkennen der Verbesserungsmöglichkeiten dienen. Wir glauben, dass dieses Tool der erste Schritt zum erfolgreichen Übergang zum digitalen Unternehmen sein sollte. Derzeit ist die endgültige Version des Selbstbewertungstools für das produzierende Gewerbe verfügbar, mit dem das Projektkonsortium über 90 Unternehmen in der Großregion erreicht hat. Die Analyse der Daten von produzierenden Unternehmen ist im Gange. Was das Logistik-Selbstbewertungs-Tool betrifft, so ist eine Beta-Version des Tools fertig und Pläne für Pilotstudien mit der Industrie sind in Arbeit. Die Tools werden von den Unternehmen gut angenommen, da sie dreisprachig (Englisch, Deutsch und Französisch) verfügbar sind, um die Vielfalt an Unternehmen in der Großregion möglichst breit zu bedienen.

Woran arbeiten Sie im Projekt aktuell?

Üblicherweise beraten wir die Firmen über einen „Quick Check“ und ein Assessment und leiten davon ausgehend den Handlungsbedarf sowie Fördermöglichkeiten für eine Förderung aus öffentlicher Hand ab, sodass sich die Firmen vollkommen auf die Umsetzung der Technologie konzentrieren können. Derzeit arbeiten wir mit zwei Unternehmen in Luxemburg zusammen, um sie im Rahmen des Arbeitspakets für Fallstudien bei ihrer digitalen Transformation zu unterstützen. Beide Unternehmen haben ihren Status mit dem zuvor erwähnten Selbstbewertungs-Tool erfasst und die Projekte sind Ergebnisse dieser Selbstbewertung. Eines der beiden Projekte konzentriert sich auf die Prozesssimulation, das andere auf die Automatisierung der täglichen Aufgaben in einem Lager. Ziel der Fallstudien ist es, die Produktivität der Unternehmen mit Hilfe von Lean- und Industrie 4.0-Tools zu verbessern. Bereits jetzt können wir sehen, welche Vorteile die Nutzung neuer digitaler Werkzeuge hat und wie welch großen Unterschied sie in Unternehmen bewirken können.

Warum ist das Thema Produktivität insbesondere für die Großregion und die hier ansässigen kleinen und mittleren Unternehmen relevant?

Es gibt einen Strukturwandel in der gesamten Großregion: Sie wandelt sich von der Montan- zur Industrieregion. Insbesondere die KMU brauchen uns in diesem Wandel als verlängerte Werkbank, um in ihrer Nische global wettbewerbsfähig zu bleiben. Innovation führt zu Produktivität und Produktivität führt zu Arbeitsplätzen. Wir sitzen in der Großregion alle im gleichen Boot. Unsere Aufgabe ist es, diesen Wandel hin zur Hightech-Industrie zu gestalten und mithilfe unterschiedlicher Maßnahmen, wie beispielsweise dem Projekt PRODPILOT umzusetzen. Denn dieser Wandel funktioniert nur über Digitalisierung und Lean – das bringe ich auch meinen Studenten an der Universität Luxemburg bei.

Stichwort „Industrie 4.0“: Welche zentralen Herausforderungen sehen Sie für Unternehmen – und auch hier insbesondere den Mittelstand – angesichts zunehmender Digitalisierungsprozesse?

Die großen Unternehmen haben leistungsfähige Forschungsabteilungen inhouse und arbeiten mit uns, der Universität Luxemburg, in Nischenanwendungen zusammen. Aber insbesondere die KMU verfügen nicht über Inhouse-Ressourcen und sind noch stärker auf die Universitäten als verlängerte Forschungswerkbank angewiesen. Unsere Hauptaufgabe im Projekt ist gerade diese Dienstleistung, also den KMU als Sparringspartner zu dienen, ihnen Ideen an die Hand zu geben und sie bei der Umsetzung zu unterstützen. Das Problem an dem Stichwort „Industrie 4.0“ ist, dass es hierunter keine fertige Lösung gibt, die zu allen Firmen passt. Denn jede Firma hat andere Prozesse und Abläufe, und hier sind individuelle Lösungen notwendig. Das heißt: Das Thema „Industrie 4.0“ muss für jedes Unternehmen individuell maßgeschneidert werden, weil die Technologien, Prozesse und die IT-Kenntnisse der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unterschiedlich sind. Wir als Ingenieure und Ingenieurinnen sind multidisziplinär ausgebildet und können den Bedarf der produktionstechnischen Firmen an IT und schlanker Produktion gut abschätzen und auf die Bedürfnisse der jeweiligen Unternehmen zugeschnittene Lösungen vermitteln.

Was fasziniert Sie persönlich an dem Projekt und an den Themen „Prozessinnovation“ und „Produktivität“?

Die Innovation der fertigungstechnischen Prozesse führt zur Produktivitätssteigerung, die wiederum Grundlage für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen und damit für die Sicherung unseres Wohlstandes ist. Dieser wird dann durch Steuereinnahmen, die in Lehre und Forschung gehen, wieder rückfinanziert.